Doris Lütkens geb. Cossel

Dorothea Elisabeth Doris Lütkens geb. Cossel (25.12.1793-10.5.1858)


Schwiegertochter von >Pastor Lütkens. Ihre Eltern waren >Christoph Eberhard von Cossel und >Friederike Louise von Cossel geb. Stemann. Die Familie wurde 1755 mit Urkunde des deutschen Kaisers in den Adelsstand erhoben.


Sie wurde von >Carl Julius Milde zur Zeichnerin ausgebildet. Am 13.7.1834 heiratete sie >Hermann Siegmund Lütkens. Gründerin 1841 einer >„Lehr- und Pensionsanstalt für höhere Töchter“ sowie Herausgeberin der >Zeitschrift „Pädagogische Mittheilungen für Eltern und Lehrer aus Literatur und Leben“. Lernte 1847 >Friedrich Fröbel kennen. Sie gliederte 1848 ihrer Schule den ersten >Kindergarten an.

In Kindergartenpädagogik ist folgendes über Doris Lütkens zu lesen:


„Doris Lütkens gehörte zu den Frauen der "ersten Stunde", die versuchten, für Friedrich Fröbel und seine Idee des Kindergartens einen Weg zu bahnen. Sie wirkte in Hamburg, das sich seinerzeit durch ihren Einsatz zu einem bedeutenden Zentrum der Fröbelbewegung entwickelte. Dabei wurde Doris Lütkens tatkräftig unterstützt u.a. von Johanna Goldschmidt und Louise Fröbel, der verwitweten zweiten Frau des Kindergartenbegründers (vgl. Berger 1995; Thorun 1997). Im Februar 1849 schrieb sie an Friedrich Fröbel, die Verwirklichung der "Kindergartensache" betreffend: "Ich habe Freude am Verbreiten der Sache und tue es, soviel in meinen Kräften steht, auf jede Weise" (zit. n. König 1990, S. 106).

Dorothea Elisabeth, von frühester Kindheit an Doris genannt, wurde am 25. Dezember 1793 als ältestes von sechs Kindern des königl. dänischen Etatsrat Christoph Eberhard von Cossel und seiner Ehefrau Friederike Louise, geb. von Stemann, auf dem Rittergut zu Jersberg bei (heute Bad) Oldesloe geboren. 


Die Familie von Cossel wurde 1755 durch eine Urkunde des Deutschen Kaisers in den Adelsstand ( sog. "Briefadel") erhoben. Zusammen mit ihren Geschwistern erhielt Doris von Cossel Privatunterricht. Wenngleich mit besonderer Vorliebe der Mal- und Zeichenkunst zugetan, nahm sie erst in späteren Jahren gründlicheren Unterricht bei dem bekannten Maler Carl Julius Milde.


Am 13. Juli 1834 heiratete Doris von Cossel Hermann Siegmund Lütkens, der Vorsteher einer privaten Knabenschule in Hamburg war. Drei Jahre nach der Eheschließung musste bereits die Bildungsstätte geschlossen werden. Doris Lütkens sorgte nun für den Broterwerb. Sie verkaufte erfolgreich Porträts- und Landschaftsbilder, erteilte zusätzlich Zeichen- und Malunterricht und betätigte sich noch als Schriftstellerin auf künstlerischem, pädagogischem und religiösem Gebiete.


1841 gründete sie im heutigen Hamburger Stadtteil St. Georg eine "Höhere Töchterschule", die sie über 17 Jahre leitete und zu einer allumfassenden Erziehungs- und Bildungsstätte ausbaute. Das "Institut Lütkens" bestand letztlich "aus 4 ineinander greifenden Abteilungen: einem Kindergarten, einer Schule, einer Seminarklasse für Kindergärtnerinnen und einem Pensionat" (Bousset 1891, S. 2). Im Jahre 1847 lernte Doris Lütkens Friedrich Fröbel persönlich kennen. Von der Wichtigkeit einer öffentlichen Institution für das "zartere Kindesalter" überzeugt, gliederte sie am 3. Mai 1848 ihrem Institut einen Kindergarten an, über dessen Ziele und Aufgaben sie vermerkte:


"Der Kindergarten ist eine Vermittlung zwischen Haus und Schule; ein allmäliger Uebergang zwischen Beiden. Wie in der Gemeinschaft eines glücklichen Familienlebens der Geist der Liebe, der Sinnigkeit, des freundlichen Entgegenkommens waltet, so auch in jedem, ächt im Sinne des Stifters geleiteten Kindergartens. Durch das, was das Kind in demselben erlebt, was es lernt, spielt, sieht, erhält es immer neuen Stoff zum lebendigen Verkehr mit dem Elternhause; es theilt seine Freuden mit den Seinen und gewinnt hierdurch unzählige Anknüpfungspunkte, durch die seine Liebe zur Familie immer klarer ins Leben tritt. So steht der Kindergarten in stetiger schöner Wechselwirkung mit dem Hause, ohne jemals dessen Ansprüche und Rechte zu beeinträchtigen; im Gegentheil er fördert ihre Erfüllung. Durch die verschiedenen, in einander greifenden Spiele und Beschäftigungen im Kindergarten wird, bei kundiger, gewissenhafter Leitung, die geistige und körperliche Natur des Kindes entfaltet, im vollsten Einklange und Gleichmaße, ohne daß eine Seite auf Kosten der anderen vernachlässigt würde. Sie wecken den Verstand und veredlen das Gemüth. Das allmälige Uebergehen des Kindes, aus seiner Traumwelt zur bewussteren Thätigkeit, kann gewiß nicht angemessener geschehen, als durch den Kindergarten, der vom dritten Jahre an bis zur Schule von Stufe zu Stufe leitet, in lückenloser Folge der Ansprüche an seine Kräfte. Es bringt auf diesem Wege eine Behülflichkeit, ein Können und Streben mit in die Schule, das jeden folgenden Fortschritt ungemein begünstigt und derselben viel schneller und sichere Erfolge in Aussicht stellt" (Lütkens 1851, S. 63 f).

Als im August 1851 im Königreich Preußen die Kindergärten verboten wurden, kämpfte Doris Lütkens gegen diese Ungerechtigkeit. Sie verteidigte "Friedrich Fröbel und sein Erziehungsprinzip" in Vorträgen und Publikationen. Damit trug sie wesentlich dazu bei, dass der Kindergarten und sein Begründer nicht vollständig desavouiert wurden In einem Aufsatz arbeitete sie fundiert die positiven Aspekte des Kindergartens heraus:

"In Folge von Namensverwechselung und gänzlicher Verkennung des von Friedrich Fröbel aufgestellten Erziehungsprinzips ist dieser biedere, jetzt 70jährige Greis noch fortwährend falscher Beurtheilung ausgesetzt und sein Prinzip vielen Anfechtungen unterworfen. Zum Theil freilich drehen sich diese stets im nämlichen Kreise und geben sich jedem unparteiisch und aufmerksam Beobachtenden immer auf's Neue kund als Folge gänzlicher Unbekanntschaft mit dem Grunde, dem Geiste und dem Leben der Sache, gegen die sie gerichtet sind; auch wächst, ungeachtet aller Anfechtungen, Hindernisse und Nichtbeachtung, diese - schon im kleinen Anfange große - Erscheinung immer rascher heran und breitet ihre Zweige immer weiter aus; - nicht allein im Vaterlande, sondern weit hinaus über dessen Grenzen ... Der Kindergarten ist eine Erziehungsanstalt für das zartere Kindesalter, aber eine solche, die weder das Haus beeinträchtigen noch dem Wirken der Schule vorgreifen will; sie steht vielmehr vereinigend zwischen Beiden, einerseits die häusliche Erziehung ergänzend und vervollständigend, andererseits die Schulbildung vorbereitend. Der Kindergarten bietet, was das Haus nicht gewähren kann, den vom erziehlichen Standpunkte aus geleiteten Verkehr des Kindes mit anderen Kindern, Gelegenheit zur Kräftigung des Körpers durch Bewegung im Freien und zweckmäßige Körperübungen, stete Beschäftigung durch Spiel und leichte Arbeiten und obgleich fern davon, eine Schule zu sein, leitet er doch das Kind zu dieser hinüber, indem er es mit dem ausstattet, was es beim Eintritt in dieselbe erlangt haben muß: Geistige Regsamkeit. Das geistige Leben des Kindes zu wecken und lebendig zu erhalten, dahin zielen alle Spiele und Beschäftigungen des Kindergartens, sie schließen sich sämmtlich genau den natürlichen Forderungen der Kindernatur an; sie lehren das Kind sich seiner ihm innewohnenden Kräfte bewußt werden, und ohne Anstrengung, ohne Zwang, lernt es sie gebrauchen. Es übt das Auge durch sinnliche Anschauungen verschiedener Formen, die Hand durch Arbeiten, die es spielend vornimmt, das Ohr durch einfache Melodien, die ihm Freude machen, das Gedächtniß durch Liedchen, die es aus freier Lust zu den eigenen macht; den Verstand durch Erzählungen und Spiele, die es aufmerken lehren und richtige Vorstellungen und Begriffe begründen; es lernt endlich das Kind im Umgange mit seinen Genossen und im Leben in und mit der Natur heiter, gesellig und verträglich zu sein, und was unter weniger günstigen Verhältnissen so leicht in Kinderherzen aufkeimt und fortwuchert, der Geist des Eigensinnes und der Zanksucht, des Neides und des Dünkels, im Kindergarten kann er nicht Wurzel fassen, wo gleiches Streben, gleiches Thun Alle vereinigt, wo die Freude an geregelter Beschäftigung keinen Unmuth aufkommen läßt, wo gleiche Theilnahme und Sorgfalt Allen zugewendet wird" (Lütkens 1852, S. 56 ff.).

Zugleich versuchte Doris Lütkens das Missverständnis Friedrich Fröbel wäre Atheist, zu entkräften:

"Ferner wird man erkennen, daß das religiöse Element den Fröbel'schen Kindergarten ganz durchdringen, gleichsam ihn nähren soll; daß also es ganz auf die individuelle Führung desselben ankommt, wie dieser Auforderung genügt wird, und daß folglich jede Religionspartei ihre Kindergärten haben und ihren Geist darin walten lassen kann, wie er in ihren Familien lebt" (Lütkens 1852, S. 60).

Nach längerer schwerer Krankheit starb Doris Lütkens am 10. Mai 1858 in Hamburg.


Quelle: https://www.kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/geschichte-der-kinderbetreuung/manfred-berger-frauen-in-der-geschichte-des-kindergartens/168



Rautenberg als Kandidat

Nachruf in der Allgemeinen Schulzeitung, Nr.7, 1860

Quelle: Deutsche digitale Bibliothek